Was ist die 'Berliner Traufhöhe'?

Bei zahlreichen Diskussionen zum Thema Wohnen oder zu anderen Bauprojekten in meinem Wahlkreis taucht immer wieder der Begriff ‚Berliner Traufhöhe’ auf. Kurze Auflösung: Die ‚Berliner Traufhöhe’ regelt, dass in den zahlreichen Berliner Altbauquartieren, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, wie etwa im Boxhagener, Comenius- oder Rudolfkiez in meinem Wahlkreis, die meisten Häuser auf eine Maximalhöhe von 22 Metern beschränkt sind. Auf meine Nachfrage zu diesem Thema bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bekam ich umfassende Informationen zur Verfügung gestellt, die ich an dieser Stelle sehr gerne veröffentliche:
In Bezug auf die Entstehung der ‚Berliner Traufhöhe’ kommen gleich mehrere Faktoren zusammen. Zum einen steht die Maximalhöhe in Verbindung mit dem 1862 in Kraft getretenen und nach dem Hauptverfasser und damaligen Berliner Regierungsbau- meister James Hobrecht (1825–1902) benannten „Hobrecht-Plan“. Der im Auftrag des preußischen Innenministeriums entstandene Bebauungsplan war eine unmittelbare Reaktion auf die sich beschleunigende Industrialisierung und eine damit einhergehende rasante Bevölkerungszunahme im Berliner Stadtgebiet. Diese neuerliche Situation ließ für das Königreich Preußen eine Verbesserung der innerstädtischen Verhältnisse in Berlin als zwingend notwendig erscheinen. Durch die Einrichtung von sogenannten ‚Baufluchtlinien’ (Grenze, über die hinaus eine Bebauung verboten ist) sollte fortan der städtebauliche Engstand verringert und die Sicherheit der Berliner Bevölkerung erhöht werden. Ab 1875 wurde auf dem Bauplan basierend mit dem Preußischen Fluchtlinien-gesetz eine Straßenbreite von genau 22 Metern festgelegt. Dies hatte wiederum zur Folge, dass auch die Höhe der Häuser zunehmend an die gesetzlich verankerte Breite der Straßen angepasst wurde um somit zu garantieren, dass bei Bränden umstürzende Gebäudefassaden die gegenüberliegenden Häuser nicht länger beschädigten. Die ‚Berliner Traufhöhe’ steht damit im direkten Zusammenhang mit der Breite der Berliner Straßen.
Darüber hinaus spielt auch die 1887 von der für Berlin zuständigen Brandenburgischen Provinzialregierung erlassene Baupolizeiordnung (Vorläufer der heutigen Bauordnung) eine weitere entscheidende Rolle. Hiermit wurde die Traufhöhe (Distanz vom Boden bis zur Dachtraufe) nun offiziell auf 22 Meter festgelegt und galt fortan sowohl für die Errichtung von Vorder- als auch Hinterhäusern. Zudem wurde eine Mindesthoffläche von 60 Quadratmetern mit knapp sechs Metern Länge (die berühmten „Berliner Höfe“) festgeschrieben um das problemlose Wenden von Feuerwehrspritzen zu ermöglichen. Schwerpunkt der Rechtsvorschriften war folglich die Gefahrenabwehr – insbesondere in Bezug auf die Gewährleistung der Feuersicherheit. Neben Brandschutz und Brand-bekämpfung war ein weiteres erklärtes Schutzziel die Rettung von Berliner Bürgerinnen und Bürgern. Viel zu häufig war es in der Vergangenheit zu tödlichen Unfällen in Folge von Verrauchungen und Verbrennungen gekommen. In diesem Zusammenhang, gilt es bedenken, dass zur damaligen Zeit die Treppenhäuser in vielen Obergeschossen beinahe ausschließlich aus Holz bestanden und demzufolge schnell Feuer fingen. So ergab sich die Forderung nach einem zweiten unabhängigen Rettungsweg. Dieser wurde durch die Leitern der Feuerwehr gewährleistet, welche Ende des 19. Jahrhunderts eine Maximal-länge von ca. 19 Metern erreichten. Doch auch die heutigen modernen Drehleitern kommen selten über eine Länge von 22 Metern hinaus. Dies führt nach wie vor dazu, dass bei Häusern welche die „Berliner Traufhöhe“ überschreiten, Sondervorschriften mit besonderen baulichen Anforderungen, vor allem in Hinsicht auf die Treppenhäuser (z.B. Vorhandensein von zwei unabhängigen Abgängen), gelten.
Ein letzter wichtiger Aspekt der „Berliner Traufhöhe“, welcher uns noch heute zugute kommt, war die frühzeitige Erkenntnis, dass eine niedrigere Bauhöhe auch eine bessere Belichtung im Sinne gesunder Lebens-, Arbeits- und Wohnverhältnisse garantiert.